Das Ding der Rekrutierung

Wer kennt das schon nicht. Rekrutierungen sind heutzutage komplex (oder komplex geworden). Früher bewarb man sich, ging zum Vorstellungsgespräch und erhielt gleich den Arbeitsvertrag. Man hatte ja schliesslich einen KV-Abschluss! Hier standen alle Türen offen und einen Job zu finden war einfach… und wenn man ihn hatte, blieben wir mindestens 10 Jahre beim selben Arbeitgeber. Wieso? Der Arbeitgeber führte zwar patriarchisch, es fehlte aber nicht an Empathie. Persönliche Gespräche waren täglich und nicht nur einmal im Jahr, es wurde nicht mit Punkten bewertet. Die Keule kam, sobald etwas falsch gemacht wurde, danach war dies erledigt. Klar, es wurde auch damals der Chef kritisiert, aber man respektierte ihn. Wieso? Weil er wusste wie der Hase läuft, er kannte sein Geschäft, er war kompetent. Welche Gründe führen heutzutage Mitarbeitende zu kündigen? Eines davon ist die Inkompetenz des Vorgesetzten.

Heute braucht es für denselben Job Flexibilität, Mobilität, Teamgeist, Selbständigkeit… ach ja, ich vergass: noch den Uni-Abschluss! Und wenn möglich sollte man nicht über 30 Jahre alt sein und ca. 40 Jahre Berufserfahrung mitbringen, weil man langjährige Mitarbeitende entlässt und dieses Know-how jetzt wieder billiger einkaufen muss. Wieso ist das so geworden? Mobbing? Bossing? Damals noch nie gehört.

Zurück zur Bewerbung. Dossiers werden vorselektiert. Das heisst, wenn es auf dem Papier nicht stimmt fliegen die Kandidaten raus. Also ist hier für den Kandidaten von absoluter Wichtigkeit, dass sein Dossier makellos ist. Lesen und Gegenlesen lassen. Schreibfehler für Kauffrauen und –Männer sind hier ein no go. Für einen Mechaniker lässt man dies schleifen, schliesslich muss er ja nicht unbedingt fehlerfrei schreiben müssen. Aber wie sieht es aus, wenn für eine Arbeitsstelle mehrere Bewerber zur Auswahl stehen (und damit müssen die Bewerber rechnen)? Dann doch lieber ein fehlerfreies, sauberes Dossier schicken, auch als Mech… mit Foto oder ohne Foto? Kann mir hier jemand der Grund nennen, wieso eine Sachbearbeiterin im Backoffice ein Foto einreichen muss?? Was spielt es für eine Rolle, ob ich eine grosse oder kleine Nase habe? Sind grosse Nasen inkompetent? Ist es nicht so, dass anhand des Fotos bereits vorselektiert wird? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass guten bis ausgezeichneten Kandidaten abgesagt werden, weil „das Foto, ähm… nein, ich meine natürlich das Anforderungsprofil nicht dem entspricht wonach wir suchen“? Sollte hier kein Umdenken folgen und in den Inseraten schreiben „Bewerbungen bitte OHNE Foto“?

Nach der Vorselektion werden die Bewerber nun zum Vorstellunggespräch eingeladen, sofern es Kandidaten gibt, denn die eierlegende Wollmichsau ist nicht leicht zu finden. Danach folgen stundelange Vorstellungsgespräche und unsere eierlegende Wollmichsäue sagen nachträglich ab, weil sie sich die Stelle doch noch anders vorgestellt haben (der Lohn stimmt mit der Funktion nicht überein, Arbeitsweg, Kompetenzen sind niedrig, etc.). Nach wochenlangem Suchen, haben wir endlich einen geeigneten Kandidaten (oder Kandidatin). Der Arbeitsvertrag ist unterschrieben und in der Probezeit ist der Kandidat (oder die Kandidatin) doch nicht von der Stelle überzeugt und geht. Eines der Gründe ist eine schlechte Einführung des Kandidaten. Mangelhafte Betreuung in der Einführungszeit führt zur Überforderung, Überforderung zu Stress, Stress zu einer schlechten Ausführung der Arbeit, eine schlechte Ausführung der Arbeit zu Unzufriedenheit für die eierlegende Wollmichsau sowie für das Team. Und wenn das Team unzufrieden ist, lässt man es spüren! Juhuu! der Rekrutierungsprozess fängt von vorne an.

In meinen Beratungen versuche ich die Wichtigkeit einer guten Einführung klar zu machen. Es braucht Hilfsbereitschaft des Teams, Akzeptanz und Geduld, ein Lächeln rundet das ganze ab. Aber vielen Arbeitgebern ist dies nicht bewusst, denn schliesslich haben sie ja eine eierlegende Wollmichsau eingestellt! Die kann alles und weiss alles und sollte somit ab dem ersten Tag Gewinn generieren. Alles übertrieben? Na ja… habe schon einiges miterlebt.

Es muss nicht so sein, ich kenne auch vorbildliche Arbeitgeber, die alles Mögliche tun, seine Mitarbeitende zu motivieren und zu anerkennen. Weiterbildungen werden gefördert, kompetente Fachkräfte werden rekrutiert, um damit eine richtige und wahre Entlastung im Alltag zu erzielen, Mitarbeitende, denen man vertrauen kann und nicht immer kontrollieren muss und sich der Vorgesetzte wirklich dem widmen was sie am besten können: kompetent Führen.

 

Isabel Gasperi

Human resources

Beratung & Administration

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